Verdauung Pferd: Das 1x1 der Pferdeverdauung

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Die Verdauung des Pferdes ist ein seit Jahrtausenden bestehender, hoch empfindlicher Prozess im Körper des Pferdes. Er wurde von der Natur auf die Bedürfnisse des Urpferdes, den Vorfahren der heute bekannten Reitpferde, abgestimmt.

In den letzten Jahrhunderten haben sich die Anforderungen sowie die Fütterungs- und Haltungsbedingungen der Pferde stark gewandelt.

Das Urpferd lebte in freier Wildbahn. Es war die meiste Zeit damit beschäftigt Futter und Wasser zu suchen und sich vor Feinden zu schützen. Es ernährte sich von energiearmem Steppengras, hatte nur geringe Fresspausen und blieb fast den ganzen Tag in Bewegung.

Im Gegensatz dazu unser bekanntes, modernes Reitpferd. Es steht viel in seiner Box, leistet 1-2 Stunden am Tag Hochleistung und erhält 2–3 mal am Tag energiereiches Kraftfutter. 

Es handelt sich folglich um zwei komplett verschiedene, eigentlich sogar komplett gegensätzliche Lebensbedingungen. Doch was oft vergessen wird, der Verdauungsprozess ist gleichgeblieben.

Aufgrund dieser Thematik kommt es bei den modernen Reitpferden oft zu Problemen mit der Verdauung. Schmerzhafte und chronische Erkrankungen wie Magengeschwüre oder eine Kolik können die Folge sein.

Um unsere geliebten Pferde bei bestehenden Verdauungsproblemen zu helfen oder diese sogar im Vorfeld zu vermeiden, ist es für uns wichtig den kompletten Verdauungstrakt des Pferdes zu verstehen, um somit eine optimale Futterauswahl für jedes Pferd individuell treffen zu können.

In den folgenden Zeilen werden wir einen Exkurs durch den Verdauungstrakt des Pferdes machen, und alle wichtigen Stationen der Verdauung ausführlich erklären.

Magen Darm Pferd

Wie bei allen anderen Lebewesen auch, beginnt die Verdauung im Maul des Pferdes.

Hier wird das Futter durch ellipsenförmige Kaubewegungen zermahlen, der Speichelfluss angerecht und das Futter eingespeichelt. 

Damit dieser Prozess reibungslos funktioniert ist es hier wichtig, dass das Gebiss des Pferdes regelmäßig durch einen Fachmann überprüft wird. Kann das Pferd sein Futter nicht richtig bzw. nicht lang genug kauen, wird zu wenig Speichel produziert. Dies ist allerdings wichtig, da im Speichel des Pferdes sogenannte Bicarbonate enthalten sind, welche später im Magen des Pferdes als sogenannte Puffer gegen die Magensäure dienen.

Vom Maul gelangt das eingespeichelte Futter in die Speiseröhre, die dann zum Magen führt.  

Die Speiseröhre des Pferdes ist ein 1,5 Meter langer Muskelschlauch, der die Nahrung innerhalb von 15-20 Sekunden in den Magen schiebt. Die Wandstärke variiert dabei zwischen oben 4-5 mm und unten 12-15 mm.

Die im unteren Bereich der Speiseröhre angesiedelte, scheibenförmig angeordnete Muskulatur verhindert ein Rückfließen der Nahrung in das Maul des Pferdes.

Dies ist der Grund, warum Pferde nicht erbrechen können. Eine falsche Fütterung oder ein verdorbener Magen kann somit lebensbedrohlich für das Pferd werden.

Die Speiseröhre mündet in den drüsenlosen Mageneingang. In diesem Teil werden die Futterbestandteile durch aufgenommene Keime, mikrobiell umgesetzt. Das heißt, dass zum Beispiel Kohlenhydrate in Zucker und Stärke gespalten wird.

Über eine Randzone geht es in den drüsenhaltigen Teil des Magens. Hier wird Salzsäure produziert und dem Futter zugesetzt. Die Magensäure tötet die aufgenommenen Keime ab und verhindert eine Gärung der Futterreste. Des Weiteren wird hier das Enzym Pepsin gebildet, welches Eiweiß aus dem Futter aufspalten kann.

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Um die oben genannten Aufgaben zu bewältigen, ist der Magen mit einem pH-Wert von 2 sehr sauer. Dieser niedrige pH-Wert bildet den ersten Schwachpunkt in der Verdauung des Pferdes in Kombination mit der modernen Fütterung.

Um die Magensäure zu neutralisieren, benötigt es die im Speichel enthaltenen Bicarbonate. So kann der pH- Wert bei einer dauerhaften Futteraufnahme von 2 auf 5,5 steigen. Übersäuerungen des Magens werden somit vorgebeugt.

Wieso ist das so wichtig? 

Der obere Teil des Magens ist Säure gegenüber sehr empfindlich. Bewegt sich das Pferd, insbesondere im Galopp oder beim Springen, schwappt Magensäure an diesen empfindlichen Teil des Magens. Ist der pH-Wert der Magensäure jetzt zu niedrig, bzw. die Magensäure zu „sauer“ wird die Magenschleimhaut dieses Teils stark angegriffen. Magenentzündungen und Magengeschwüre können hier die Folge sein. Aber nicht nur eine falsche Fütterung, auch zu viel Stress des Pferdes kann zu Magenbeschwerden führen, da Stress die Durchblutung des Magens und somit die Regeneration der Magenschleimhaut reduziert. Des Weiteren wird durch Stress Cortision produziert, welches die Produktion von Magensäure anregt und somit den pH-Wert des Magens senkt.  

Studien haben ergeben, dass ca. 60 % der Sportpferde und 90% der Rennpferde unter Magenbeschwerden leiden.

Trotz der Größe des Pferdes hat sein Magen nur ein sehr geringes Fassungsvermögen (15-20 Liter). Dies ist auch der Grund, warum ein Pferd hohe Mengen an Kraftfutter (> 2,5 KG) im Magen nicht richtig verwerten kann.

Durch ständiges zusammenziehen und lockern arbeitet der Magen die Magensäure langsam in den Futterbrei ein. 

Nachdem das Futter die einzelnen Stationen des Magens durchlaufen hat, wandert es nach ca. 1,5 Stunden in den Dünndarm weiter. Der Dünndarm des Pferdes bildet den größten Teil des gesamten Verdauungstraktes. Er hat eine Länge von 30 Metern, umfasst ein Volumen von ca. 65 Litern und unterteilt sich in drei Bereiche: Der Zwölffingerdarm, der Leerdarm und der Hüftdarm.

Verdauung Pferd: Zwölffingerdarm

Der erste Bereich im Darm ist der Zwölffingerdarm. Dieser umfasst in der Länge rund einen Meter. Ab hier startet die Verdauung so richtig. In diesen Bereich münden die Ausführungsgänge der Leber, der Bauchspeicheldrüse sowie der Gallenflüssigkeit. Die Bauchspeicheldrüse produziert Enzyme, die die lebenswichtigen Aminosäuren für Pferde sowie die Fettsäuren im Futterbrei aufspalten.

Der saure Futterbrei wird hier zusätzlich wieder neutralisiert. 

Leerdarm

Im nächsten Schritt gelangt das Futter in den mit 25 Meter längsten Dünndarmabschnitt, den Leerdarm. In diesem Teilbereich des Darms findet die hauptsächliche Zerlegung des Futterbreis durch die im Zwölffingerdarm zugefügten Enzyme in die entsprechenden kleinsten Bausteine statt. Hier wird Eiweiß stufenweise in die einzelnen Aminosäuren und Stärke zuerst in Mehrfach- und dann in Einzelzucker zerlegt. An der Darminnenseite befinden sich sogenannte Darmzotten. Diese Zotten haben die Aufgabe, Nährstoffe aus dem Futterbrei zu entziehen und an das Blut abzugeben. Die Nährstoffe können dann vom Blut in die  einzelnen Zellen transportiert werden, wo sie dann für Ihre Aufgaben zur Verfügung stehen.

Spricht man von einer schlechten oder nicht gut funktionierenden Darmflora, liegt das meist an einem Defekt der im Bild abgebildeten Darmzotten. Sie können durch fehlerhafte Ernährung verdrecken oder verkleben und hindern damit die richtige Nährstoffaufnahme ins Blut. Nährstoffmangel kann die Folge sein. 

Der lange Darmabschnitt des Leerdarms ist mit einer vorhangartigen Membran, durch welche zahlreiche Blutgefäße und Nervenbahnen verlaufen, an der Wirbelsäule des Pferdes aufgehängt. 

Bei dieser Membran handelt es sich um ein weiteres sensibles Teil des Verdauungstraktes, da sich die losen Darmschlingen ineinander verschieben und verhaken können. Schwere Koliken sind die Folge.

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Nachdem der Speisebrei ca. 1,5 Stunden durch den Leerdarm geflossen ist, gelangt er in den kurzen, nur 25 – 70 cm langen Hüftdarm

Hüftdarm

Der Hüftdarm stellt die Verbindung zwischen Dünn- und Dickdarm her. Der Hüftdarm ist der Teil der Verdauungstrakte, in welchem es aufgrund schlecht verdaulicher Futtermittel wie z. B große Mengen an Stroh etc. zu Verstopfungen kommen kann.

Die gesamten raufaserhaltigen Fütterungsbestandteile passieren den Dünndarm nahezu unverdaut. Dann im Dickdarm angekommen erfolgt die Zersetzung dieser Bestandteile durch Bakterien und Einzeller in Energie. Da im Dickdarm kein Sauerstoff vorhanden ist, wird dieser auch oft als Gärkammer bezeichnet. 

Dickdarm

Auch der Dickdarm unterteilt sich in drei Bereiche: Den Blinddarm, den Grimmdarm und den Mastdarm.

  • Der Blinddarm ist mit nur einem Meter und einem Fassungsvermögen von rund 35 Litern wie ein Tank, in dem das Futter nochmal 15-20 Stunden verweilt und gärt. 

Die sich hier befindenden Bakterien passen sich mit der Zeit an das Futter des Pferdes an, um es so richtig verarbeiten zu können. Dies ist auch der Grund, warum Futterumstellungen langsam durchzuführen sind. Nur so können sich die Bakterien optimal auf das neue Futter einstellen.

Nach dem Blinddarm fließt der Rest weiter in den Grimmdarm. Dieser setzt sich aus dem großen- und dem kleinen Grimmdarm zusammen. 

  • Der große Grimmdarm, der eine Länge von rund 4 Metern und ein Volumen von rund 80 Litern besitzt, ist ebenfalls von Bakterien besiedelt. Diese Mikroben haben die Aufgabe, aus nichtverdauten Futterresten wasserlösliche B-Vitamine, Vitamin C sowie Vitamin K herauszuziehen. 

Diese Nährstoffe werden direkt ans Blut weitergegeben, wo sie dann wieder durch Kapillaren in die Zellen verteilt werden.

Im kleinen Grimmdarm, der eine ähnliche Länge wie der Große, aber ein geringeres Fassungsvermögen besitzt, wird nun der Nahrung das restliche Wasser entzogen. Dieser Prozess dauert nochmals rund 20 Stunden. Durch kräftige Bandstreifen und Falten entsteht hier auch die typische runde Form der „Äppel“.

  • Der Mastdarm oder auch Enddarm genannt ist 30 cm lang, mündet im Anus und stellt somit den letzten Teil des Verdauungstraktes dar. 

Mit seiner Aussackung regelt er den Kotabsatz, der normalerweise 8-10 mal pro Tag stattfindet.

Wie kannst du nun mit diesem Wissen deinem Pferd helfen?

  • Wie bereits beschrieben, beginnt die Verdauung des Pferdes im Maul. Um sicherzustellen, dass das Pferd sein Futter richtig und lang genug kauen kann, ist es wichtig, die Zähne regelmäßig (1-2 mal im Jahr) durch einen Tierarzt überprüfen zu lassen. 
  • Um sicherzustellen, dass das Futter die sensiblen Bereiche der Pferdeverdauung reibungslos durchläuft, ist es wichtig, auf eine artgerechte und bedarfsdeckende Ernährung des Pferdes zu achten. Die Grundlagen einer gesunden Pferdefütterung sind zum einen ein ausreichenden Raufutteranteil (1,5 Kilogramm/100 Kilogramm Lebendgewicht), eine gute Futterqualität sowie nur kurze Fresspausen (max. 4–6 Stunden). Futter mit hohem Rauhfaseranteil wie zum Beispiel Heu, wird vom Pferd fünfmal besser eingespeichelt wie Kraftfutter. Dies hat zur Folge, dass ein Pferd hier länger mit Fressen beschäftigt ist und durch den hierbei entstehenden Speichel ein höherer Magensäurepuffer entsteht.
  • Durch das nur geringe Fassungsvermögen des Pferdemagens ist es wichtig, nur geringe Mengen an Kraftfutter auf einmal zu füttern und die Tagesportion auf 3-4 Mahlzeiten am Tag aufzuteilen. Zusätzlich soll hier, zur Schonung des Dickdarms, der Stärkegehalt des Kraftfutters im Auge behalten werden.

Als Faustregel gilt, nicht mehr als ein Gramm Stärke pro kg Körpergewicht.

  • Raufutter vor der Kraftfuttergabe. Füttert man dem Pferd eine halbe Stunde vor dem Kraftfutter etwas Raufutter, kann man so erreichen, dass das Pferd das Kraftfutter nicht mehr ganz so gierig runterschlingt und somit das Futter besser einspeichelt. Zusätzlich wird durch das Raufutter der Darm aktiviert und kann so das Kraftfutter besser verwerten.
  • Ruhepausen nach der Futteraufnahme. Bevor ein Pferd nach der Fütterung gearbeitet werden kann, sollte eine halbe Stunde vergangen sein. Dies ist der Fall da durch die Arbeitsbelastung das Blut in die Muskulatur des Pferdes transportiert wird und somit das Verdauungssystem schlechter durchblutet ist. 
  • Futter nur langsam umstellen. Die Fütterung des Pferdes sollte über einen längeren Zeitraum von etwa 14 Tagen umgestellt werden. Wie im Text bereits beschrieben, benötigt das Verdauungssystem, insbesondere die dort befindlichen Bakterien, Zeit, sich an das veränderte Futter anzupassen. Anderenfalls kann es im Dickdarm zu Schädigungen kommen. 
  • Vermeidung von Stress. Nicht nur während der Fütterung, sondern auch im Alltag des Pferdes sollten stressbringende Situationen so gering wie möglich gehalten werden. Stress vermindert die Durchblutung der Magenschleimhaut und macht diese damit angreifbarer und verletzlicher. Zusätzlich dazu fördert Stress die Produktion von Cortison und somit auch der Magensäure.
  • Immer Zugang zu sauberem Trinkwasser. Da das Verdauungssystem des Pferdes zum Funktionieren auch Wasser benötigt, ist es wichtig, immer frisches Trinkwasser bereitzustellen.
  • Vermeidung von zu viel Stärke im Futter. Der Pferdkörper kann Stärke nur bis zu einer begrenzten Menge unproblematisch verdauen. Enthält das Futter zu viel Stärke, kann es vorkommen, dass die Stärke nicht komplett um Dünndarm verdaut werden kann und in den Dickdarm des Pferdes gelangt. Hier kann es dann zu einem Ungleichgewicht der Darmflora kommen, was enorme Verdauungsprobleme und einen Vitamin B Mangel (welches im Dickdarm gebildet wird) zur Folge hat. Die Stärkezufuhr pro Mahlzeit sollte daher eine Menge von 200 g je 100 kg Körpergewicht nicht übersteigen. Bei einem gesunden 600 kg schweren Pferd sind das umgerechnet ca. max. 2,5 kg Hafer, 2 kg Gerste oder 1,5 kg Mais pro Mahlzeit.

Tipp: Durch Futterbestandteile wie Rübenschnitzel, Obstrester, Ölfrüchte und Öle, sowie rohfaserreichen Komponenten wie Heu und Luzernehäcksel, Kleie und auch Kräutern wird die Kraftfutterration von Stärke entlastet.

  • Vermeidung von Calcium und Magnesiummangel des Pferdes. Da der Darm ein Muskel ist, welcher sich ständig anspannt und erschlafft, ist es wichtig, dass das Pferd mit genügend Magnesium und Calcium versorgt ist.
  • Vermeidung von zu viel Eiweiß im Futter. Wie bereits bei der Stärke kann der Pferdekörper, insbesondere der Dünndarm, einen Überschuss an Eiweiß nicht richtig verdauen. In Folge gelangt das übrige Eiweiß unverdaut in den Dickdarm. Der Dickdarm dagegen kann Eiweiß allerdings nicht richtig verdauen. Es entstehen Abbauprodukte wie zum Beispiel Ammoniak. Die Darmschleimhaut nimmt diese Abbauprodukte auf und entgiftet sie über die Leber. Eine Überbeanspruchung der Leber und Leberschäden können die Folge sein.
  • Wenn du dir nicht sicher bist, was das genaue Problem ist, solltest du immer einen Tierarzt für eine Untersuchung aufsuchen.

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